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CHRONIK

Fortpflanzungsmedizingesetz (FmedG):

10 Jahre Eizellspende in Österreich

Interview mit Dr. Adriane Damko, 2025-02-05


Vor 10 Jahren (Februar 2015) trat in Österreich das neue Fortpflanzungsmedizingesetz in Kraft. Seither ist es Patientinnen und Patienten in Österreich erlaubt bei entsprechender Indikation im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung eine Eizellspende in Anspruch zu nehmen. Auch gab es neue Regelungen für die genetische Untersuchung an Embryonen (PID) und die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare für die Kinderwunschbehandlung. In der Reproduktionsmedizin hat sich seither viel getan. Wie wurden die neuen rechtlichen Möglichkeiten medizinisch umgesetzt? Wie sieht die Akzeptanz in der Bevölkerung aus?

Dazu Dr. Adriane Damko, ärztliche Leiterin bei Next Fertility IVF Prof. Zech in Bregenz im Interview.

Frau Dr. Damko, vor fast genau 10 Jahren, am 24.02.2015 trat die Novellierung des österreichischen Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG) in Kraft. Was hat sich seither getan und wie lässt sich diese Gesetzesänderung rückblickend bewerten?

Die Novellierung des FMedG im Jahr 2015 fiel in die Zeit meines Wechsels nach Österreich zu der Next Fertility IVF Prof. Zech in Bregenz (damals IVF Zentren Prof. Zech). Es war eine Zeit des enormen Umbruches. Es herrschte auch eine gewisse Aufbruchsstimmung. Die damalige gesetzliche Regelung der Fortpflanzungsmedizin basierte auf der Gesetzesgrundlage von 1992 bzw. 2004. Rückblickend muss man sagen, dass die damalige Gesetzgebung restriktiv und mit großen Einschränkungen in der Behandlung von Kinderwunschpaare verbunden war.

Was war aus Ihrer Sicht die größte Änderung beim neuen FMedG 2015?

Große Errungenschaften der Novelle des FMedG und des IVF-Fonds-Gesetzes war die Aufhebung des Eizellspendeverbots und die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren, hinsichtlich des Zuganges zu den Kinderwunschtherapien und deren Finanzierung. Diese Erleichterungen wurden auch sehr schnell angenommen. Seither haben wir eine Vielzahl an Frauenpaaren, die ihren Kinderwunsch in Bregenz erfüllen konnten.

Die Eizellspende ist nun also auch in Österreich erlaubt?

Die Aufhebung des Eizellspendeverbots in Österreich 2015 war bedeutsam. Davon profitieren sehr viele Paare, die mit eigenen Eizellen nicht schwanger werden können.

Wie wurde diesen Paaren früher geholfen?

Vor der Novellierung des Gesetzes in Österreich sind viele Paare nach Tschechien, Spanien oder die Niederlande gereist, um eine Eizellspende durchzuführen. Für die Paare wurde es nun wesentlich einfacher: Sprachbarrieren, weite Entfernungen, hohe Reisekosten usw. fallen nun größtenteils weg. Der Anteil der Kinderwunschpatienten, die in Bregenz mit Hilfe einer Eizellspende behandelt werden, ist signifikant gestiegen.

Was sind die Gründe für eine Eizellspende? Welche Paare kommen zu einer Eizellspende?

Die Gründe für eine Eizellspende sind ganz unterschiedlich. Wir haben Paare, die aufgrund eines vorzeitigen Eintritts in die Menopause zu uns kommen. Teilweise sind die Frauen Anfang 30 oder darunter. Mit der Eizellspende bieten wir diesen Frauen wieder eine Perspektive, Mutter zu werden. Aber auch die Vermeidung der Übertragung einer schwerwiegenden Erbkrankheit, vorausgegangene IVF-Fehlversuche und, nicht zuletzt, ein fortgeschrittenes weibliches Alter sind die Gründe, warum Kinderwunschpaare bei uns eine Eizellspende in Anspruch nehmen. Gerade letzteres ist immer häufiger ein Grund.

Warum spielt das Alter der Frau auch bei der Eizellspende eine wichtige Rolle?

Viele Frauen haben den Wunsch eine Familie mit zwei oder mehr Kindern zu haben. Die Realität sieht oft anders aus. Frauen verschieben die Familienplanung immer weiter nach hinten. Dies ist zum Teil den längeren Ausbildungszeiten und des „Fußfassens“ im beruflichen Alltag geschuldet. Das Alter der Erstgebärenden liegt in Mitteleuropa konstant jenseits des 30. Lebensjahres. Gleichzeitig ist die fertile Phase einer Frau zeitlich stark begrenzt. Ab Mitte 30 nimmt die weibliche Fertilität rapide ab. Oft kann die Familienplanung nicht mehr oder nur teilweise realisiert werden. Es gibt tatsächlich eine Diskrepanz zwischen gewünschter und tatsächlicher Kinderzahl, dem sogenannten „Fertility Gap“. Das ist durch eine Vielzahl von Studien belegt.

Neben der Eizellspende, wie hat das neue Gesetz die Kinderwunschbehandlung für gleichgeschlechtliche Paares verändert? Können Sie ein Beispiel nennen?

Natürlich. Ein Beispiel ist die Behandlung von gleichgeschlechtlichen Paaren mit der ROPA-Methode (Reception of Oocytes from Partner). ROPA ist nur in wenigen europäischen Ländern erlaubt. In Mitteleuropa ist Österreich das einzige Land, in dem ROPA möglich ist. In Ost- und Südosteuropa ist dieses medizinische Verfahren nicht vorgesehen.

Wie läuft eine ROPA ab?

Bei einer ROPA-Behandlung wird eine der beiden Frauen in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft stimuliert, die entnommenen Eizellen mit dem Spendersamen befruchtet und im Kinderwunschzentrum bis zum Blastozystenstadium kultiviert. Die Rückgabe der Blastozyste wird dann bei der Partnerin durchgeführt, sodass diese das gemeinsame Kind austrägt. Damit ist eine engere gemeinsame Mutterschaft ermöglicht.

Was hat sich bei der Genetik in der Kinderwunschbehandlung geändert?

Ein Fortschritt war ebenso die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID). Hiermit haben Paare Zugang zur PID, die ein Risiko haben, eine schwerwiegende Erbkrankheit an den Nachwuchs weiterzugeben oder erhöhte Risiken auf eine Tot- oder Fehlgeburt besitzen. Auch die genetische Abklärung bei wiederholten Fehlgeburten oder wiederholten, erfolglosen Kinderwunschbehandlungen ist nun gesetzlich erlaubt. Es war und ist enorm wichtig, dass diesen Paaren mit der FMedG Novellierung auch eine tatsächliche Hilfe angeboten werden kann.

Aber eine Polkörperdiagnostik (PKD) war doch davor auch schon möglich.

Das stimmt. Allerdings erlaubt die PKD nur einen Rückschluss auf den mütterlichen Anteil des Genoms. Es muss also genau abgewogen werden, welches Verfahren für die Fragestellung das Beste ist.

Waren denn die Auswirkungen des alten FMedG sonst noch gravierend?

Ja, sicher. Bis 2015 war etwa die Verwendung von Spendersamen nur zur Insemination, also zur Befruchtung im Körper der Frau erlaubt. Eine IVF (ICSI-Behandlung) mit Spendersamen war hingegen verboten. Eine rationale, medizinisch-basierte Grundlage hierfür existierte nicht. Dies führte etwa zu einem Ausschluss vieler Frauen, bei denen zusätzlich zur Zeugungsunfähigkeit des Mannes noch ein weiblich-bedingter Infertilitätsfaktor vorlag, z.B. eine Blockade der Eileiter. In diesen Fällen ist aber eine IVF oder ICSI unabdingbar.

Rückblickend gesehen, waren Sie auf die Gesetzesänderung 2015 gut vorbereitet?

In Bregenz konnten wir, um bei der Eizellspende zu bleiben, die Behandlung rasch in unsere medizinischen Abläufe integrieren. Schon unter der Führung des Gründers, Herrn Prof. Zech, konnten wir auf veränderte Rahmenbedingungen sehr schnell reagieren. Wir stehen Neuerungen offen gegen und können neue Therapieoptionen schnell in unseren täglichen Workflow integrieren. Diesen Ansatz verfolgen wir auch weiter.

Kann man mit dem FMedG in der jetzigen Form zufrieden sein oder müsste an einigen Stellen nachjustiert werden?

Natürlich gibt es einige Bereiche in der aktuellen reproduktionsmedizinischen Gesetzgebung, die vielleicht überdacht werden sollten.

Welche zum Beispiel?

Ganz konkret: Aus meiner Sicht sollten Maßnahmen zur Fertilitätsprotektion bei jungem Patienten*innen von den Krankenkassen übernommen werden. Auch das Verbot fertilitätsprotektiver Maßnahmen ohne medizinische Indikation sollte in bestimmten Situationen aufgehoben werden, um gerade auch die moderne Familienplanung und den Beruf in Einklang bringen zu können. Aber ohne Frage gehört die jetzige gesetzliche Regelung der Fortpflanzungsmedizin in Österreich zu einer der liberalsten in Europa.

Die Zulassung der Eizellspende wird auch gegenwärtig in Deutschland diskutiert. Im vergangenen Jahr wurde in Deutschland eine Kommission aus verschiedenen Fachrichtungen beauftragt, Vorschläge zu erarbeiten. Das Ergebnis wurde im April 2024 vorgelegt. Daraus geht hervor, dass die Eizellspende unter engen Voraussetzungen möglich sein könnte.

Und um genau diese Vorschläge ist es relativ still geworden. Zweifellos zeigen sich die Gesellschaften in Europa gegenüber der Kinderwunschmedizin immer offener. Dies gilt aber nicht unbedingt für die Politik. Die Vorschläge der Kommission in Deutschland müssen zuerst vom neugewählten Bundestag und einer neuen Bundesregierung umgesetzt werden.

Vielen Dank für das Gespräch.

Originaltitel: Fortpflanzungsmedizingesetz (FmedG): 10 Jahre Eizellspende in Österreich, Interview mit Dr. Adriane Damko, 2025-02-05
Autoren: Dr. Adriane Damko, Dr. Maximilian Schuff, Mag. Eric Lechner
Jahr: 2025
Publiziert in: www.ivf.at, Youtube
URL: https://www.ivf.at/p.php?c=chronik&pt=2025-03-19_10-jahre-eizellspende-oesterreich-fmedg-fortpflanzungsmedizingesetz